In folgender Behauptung wird erklärt, dass die korrekte Interpunktion des griechischen Grundtextes des NT vom Kontext abhängig ist, was an sich richtig ist.

Nur versucht man anschliessend einmal mehr, mit einem irreführenden Vergleich zweier falsch zitierten Schriftstellen einen fadenscheinigen "Kontext" zu erschaffen, welchen man dann anhand von nicht zu Ende geführten sprachlichen "Beweisen" und der persönlichen Meinung eines mehr als nur zweifelhaften Buchautors zurechtzubiegen versucht.

 

 

Die Interpunktion in Lukas 23,43 – von entscheidender Bedeutung ?

 

 

 

...Diese Problematik soll anhand von Lukas 23,43 dargestellt werden: die Übersetzung und Wortbedeutungen an sich sind hier eigentlich unstrittig, und so ist etwa nach „Schlachter 2000“ zu lesen: „Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: heute wirst du mit mir im Paradies sein!“.

 

Die „Neue Welt Übersetzung“ der Zeugen Jehovas übersetzt zwar analog, setzt hingegen die Interpunktion wie folgt: "Wahrlich, ich sage dir heute: Du wirst mit mir im Paradies sein.", sodass allein aufgrund einer Verschiebung des Doppelpunktes um eine einzige Stelle ein völlig anderer Sinn vermittelt wird.

 

 

Wie dieser Herr anschliessend richtigerweise feststellt, stützt die Interpunktion der NWÜ, im Gegensatz zur SB und den meisten anderen Übersetzungen, mit dieser Schriftstelle nicht die Lehre von der unsterblichen Seele.

Wenn Jesus und der Verbrecher nämlich tatsächlich am selben Tag noch im Paradies gewesen wären, könnten einige daraus ableiten wollen, dass ihre Seelen nicht gemeinsam mit dem Körper starben, sondern gleich in ein "himmlisches Paradies" entrückt wurden.

Dies geht jedoch ohnehin nicht auf, ohne die Hälfte der Bibel zu ignorieren. (Siehe dazu: Das Paradies) und (Hölle und Unsterblichkeit)

 

Bevor ich nun auf den sprachlich fundierten Teil der Theorie eingehe, mit welcher dieser Herr seinen sogenannten "Kontext" stützen möchte, mache ich einmal mehr auf den wahren Bibelkontext aufmerksam. Denn dieser steht, ich kann es nur immer und immer wieder betonen, unantastbar über all den trügerischen sprachwissenschaftlichen Theorien.

 

SB, Markus 8:31

Und er fing an, sie zu lehren, der Sohn des Menschen müsse viel leiden und von den Ältesten und den obersten Priestern und Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und nach drei Tagen wiederauferstehen.

 

SB, Matthäus 27:63

Am anderen Tag nun, der auf den Rüsttag folgt, versammelten sich die obersten Priester und die Pharisäer bei Pilatus 63und sprachen: Herr, wir erinnern uns, dass dieser Verführer sprach, als er noch lebte: Nach drei Tagen werde ich auferstehen.

 

SB, Markus 9:31

Denn er lehrte seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen ausgeliefert; und sie werden ihn töten, und nachdem er getötet worden ist, wird er am dritten Tag auferstehen.

 

SB, Markus 10:34

und sie werden ihn verspotten und geißeln und anspucken und ihn töten; und am dritten Tag wird er wiederauferstehen.

 

SB, Matthäus 12:40

Denn gleichwie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Riesenfisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein.

 

 

Noch deutlicher könnte der Kontext der Heiligen Schrift nicht für die Interpunktion der NWÜ sprechen. Jesus wurde an diesem Tag weder in ein "himmlisches Paradies" entrückt, noch ist er sonst irgendwie am Leben geblieben. Nein, er ist gestorben und nach drei Tagen und Nächten im Schoss, Herzen oder Inneren der Erde (je nach Übersetzung) wiederauferstanden von den Toten.

 

Diese glasklaren Schriftstellen widersprechen allesamt auch deutlich folgendem sogenannten "Kontext", welchen dieser Herr hier konstruieren möchte:

 

Das Paradies ist in diesem Vers nicht mit der kommenden Königsherrschaft Christi gleichzusetzen, sondern ist ein bereits gegenwärtiger Ort (vgl. 2Kor 12,4 i.V.m. Luk 19,11), daher kann sie „heute“ auf den Eingang zu diesem Ort noch am selben Tag beziehen.

Würde die Interpunktion in V.43 anzeigen sollen, dass Jesus „heute“ die nachgenannte Aussage trifft, würde dies dem dadurch eingeleiteten Kontext nicht gerecht. Zudem wäre es überflüssig zu betonen, dass Jesus die Aussage gerade „heute“ trifft – es gibt dazu ja keine anderen sinnvollen Alternativen wie „morgen“, „gestern“.

Der Schächer wird also nicht an einem unbestimmten künftigen Zeitpunkt bei Christus sein, sondern noch am selben Tag der Kreuzigung – „heute“ (im Gegensatz zu einer zukünftigen Erfüllung) ist somit Teil der Verheißung, die Christus dem Verbrecher zuspricht.

 

 

War Jesus wirklich an dem Ort, von dem Paulus in 2. Korinther 12:4 spricht? Ist denn dieses vermeintliche "Paradies" etwa mit Scheol und Hades identisch?

 

EB, Psalm16:10

Denn meine Seele wirst du dem Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Grube sehe

 

EB, Apostelgeschichte2:27

denn du wirst meine Seele nicht im Hades zurücklassen noch zugeben, dass dein Frommer Verwesung sehe.

 

In 2. Korinther 12:4 spricht Paulus nicht von Jesus, wie aus Vers 2 hervorgeht, war der besagte Mensch in Verbindung mit dem Christus. Diese Textstelle folgt unmittelbar auf eine Reihe von Versen, in denen Paulus sein Apostelamt verteidigte. Und angesichts der Tatsache, dass nirgendwo sonst in der Bibel solch ein Erlebnis erwähnt wird und kein anderer als Paulus davon berichtet, liegt nahe, dass er diese Vision selbst gehabt hat. In was für ein "Paradies" wurde Paulus denn bei jenem aussergewöhnlichen Erlebnis entrückt?

Der Kontext lässt darauf schliessen, dass der dritte Himmel ein sinnbildlicher Ausdruck ist, den Paulus für das Empfangen einer unbeschreiblichen Vision gebraucht. Das, was Paulus in der Vision zu sehen und zu hören bekam, war allem nach wirklich unaussprechlich, weswegen er es mit dem "dritten Himmel" umschrieb. In der Bibel wird die Zahl Drei häufig verwendet, um Eindringlichkeit, Nachdruck oder zusätzliche Stärke anzuzeigen.

 

 

Was die Überflüssigkeit der Betonung des Wortes heute angeht, so kann man nur sagen, dass diese Überflüssigkeit in der Bibel des Öfteren anzutreffen ist.

 

NeÜ, 5.Mose 8:19

Doch wenn du Jahwe, deinen Gott, vergisst, wenn du anderen Göttern nachläufst, ihnen dienst und sie anbetest, dann sage ich euch heute: Ihr werdet unweigerlich zugrunde gehen!

 

LB, 5.Mose 11:26-28

Siehe, ich lege euch heute Segen und Fluch vor: 27 den Segen, wenn ihr den Geboten des HERRN (JHWH im Grundtext), eures Gottes, gehorcht, die ich euch heute gebiete, 28 und den Fluch, wenn ihr den Geboten des HERRN (JHWH im Grundtext), eures Gottes, nicht gehorcht und von dem Weg, den ich euch heute gebiete, abweicht, um andern Göttern nachzulaufen, die ihr nicht kennt.

 

Das Wort heute stellt eine Bekräftigung des Gesagten dar, man könnte ebenfalls sagen: Ich sage dir hiermit oder Ich sage dir hier und jetzt, was soviel bedeutet wie Ich versichere dir. Von überflüssig kann hier nicht die Rede sein.

Wenn man so will, wäre die ganze Wendung überflüssig, die unser Herr Jesus Christus so oft benutzte; er hätte auch nicht zu sagen brauchen: Ich sage dir. Der Verbrecher wusste ja sicher, dass Jesus zu ihm sprach, denn Jesus antwortete ja auf die Bitte, die dieser zuvor an Jesus richtete.

Die überaus geistlose Bemerkung dieses Herrn zeugt von der traurigen Tatsache, dass solch wundervolle Wendungen mit dem, leider Gottes unaufhaltsamen, Wandel der Sprache immer weniger verstanden werden.

 

 

Kommen wir nun zu den sprachlichen Theorien dieses Herrn. Die Art und Weise, wie er seine Erklärung aufbaut, lässt erkennen, dass er den Leser zu beeindrucken sucht, damit dieser ihm voller Ehrfurcht alles glaubt.

Anstatt es für den nicht Griechischkundigen so einfach wie möglich zu erklären, benutzt er, abgesehen von zahlreichen Fremdwörtern, auch noch eine für diesen nur schwer verständliche Transliterierung.

 

Aus diesem Grunde zitiere ich nur den Kern seiner Aussage:

 

Eine nahezu identische Satzstruktur wie Luk 23,43 weist Mark 14:30 auf: „Und Jesus spricht zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen!“. „AMHN LEGW SOI hOTI SU SHMERON” (das hOTI-Recitativum könnte hier auch ohne Einfluss auf die Zeichensetzung oder den Sinn fehlen). Das nachgestellte SHMERON beschreibt also nicht „wahrlich, ich sage dir“ näher, sondern den nachfolgenden Satzinhalt.

 

Zusammenfassend kann behauptet werden, dass Lukas 23,43 eine von den 74 formelhaften Idioms ist, die Jesus üblicherweise in den Evangelien verwendet. Die hier und an anderen Stellen von Jesus gewöhnlich verwendete Einleitung lautet „Wahrlich ich sage Dir/Euch“ bzw. „Ich sage Dir/Euch“ und nicht „Wahrlich ich sage Dir/Euch heute:“.

Es gibt kein Beispiel im GNT, dass das Idiom „Wahrlich ich sage“ (AMHN LEGW) wie auch immer modifiziert wird, wenn das/der Bezugswort/-ausdruck nach (!) nachfolgend im Satz steht. Die Satzstellung von „heute“ (SHMERON) ist also entscheidend.

 

 

Als Erstes muss hierzu erwähnt werden, dass die ältesten noch erhaltenen Handschriften nicht alle denselben Wortlaut aufweisen.

Die Frage ist daher immer dieselbe: Auf welche Handschrift ist am meisten Verlass?

Die Antwort darauf lautet immer: Es ist von Fall zu Fall verschieden.

 

Man kann sich immer nur auf eines wirklich verlassen, und das ist wie immer der Kontext. Würden Leute wie dieser Herr auf den Kontext achten, würden sich solche Diskussionen erübrigen.

 

Wie bereits bewiesen, spricht der Kontext auf eindeutigste Weise gegen das theologische Vorverständnis dieses Herrn.

 

Trotzdem will ich hier noch weiter auf die Lage aus sprachlicher Sicht eingehen, denn auch hier hat dieser Herr nicht alles bedacht.

Die verschiedenen Ausgaben des griechischen Grundtextes weichen bereits voneinander ab, was nicht verwundert, da sogar die alten Handschriften dies tun, aufgrund derer sie erstellt wurden. Satzzeichen, wie sie in einigen Ausgaben des Grundtextes bereits eingefügt wurden, gibt es in den alten Handschriften noch keine.

 

Codex Alexandrinius, Lukas 23:43

 

 

Codex Vaticanus, Lukas 23:43

 

In manchen der alten Handschriften (Codex Vaticanus und Papyrus 75 L45r) unterscheidet sich ausgerechnet die Satzstellung von Lukas 23:43 (soi lego / dir sage ich) von den 73 anderen Beispielen der besagten Wendung Jesu Christi (lego soi / ich sage dir). Zufall?

 

 

 

KNT, Lukas 23:43

Jesus antwortete ihm: "Wahrlich, dir sage Ich heute: Mit Mir wirst du im Paradies sein!"

 

Kann die Zeitangabe wirklich nicht den vorangehenden Satzteil betreffen? Wie sieht es mit Markus 14:30 aus?

Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. (LB)

 

Weder sprachlich noch inhaltlich wäre etwas einzuwenden, wenn es hier heissen würde: Wahrlich, ich sage dir heute: In dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.

 

 

Betrachten wir nun ein Beispiel, welches auch die sprachliche Begründung der Theorie dieses Herrn endgültig widerlegt.

 

SB, Matthäus 7:22

Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt und in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wundertaten vollbracht?

 

Im griechischen Grundtext steht hier die Zeitangabe (an jenem Tag) eindeutig nachfolgend zum Satzteil, auf welchen sie sich bezieht (viele werden zu mir sagen).

 

NA.IÜ, Matthäus 7:22  (transliterierte Zeile ist von mir)

πολλοὶ   ἐροῦσίν             μοι         ἐν ἐκείνῃ         τῇ ἡμέρᾳ·        κύριε κύριε, ...

polloi    erousin             moi         en ekeinee      tee heemera    kurie kurie, ...

Viele    werden sagen   zu mir     an jenem         - Tag:             Herr, Herr, ...



Dies verhält sich nicht nur in jeder der von mir überprüften Textausgaben des Grundtextes so (Nestle-Alalnd 28, Textus Receptus, Tischendorf, Westcott & Hort, UBS4), sondern auch in jenen Handschriften, welche diese Textstelle enthalten (Codex Sinaiticus, Vaticanus und Washingtonianus).



Laut der Theorie dieses Herrn müsste dieser Vers nun also folgende Interpunktion aufweisen:

"Viele werden zu mir sagen: An jenem Tag Herr, Herr, ..."



Was aufgrund der Beweislage (sowohl Kontext wie auch Grammatik) von der abschliessenden Schlussfolgerung dieses Herrn und seines mehr als zweifelhaften Buchautors zu halten ist, braucht eigentlich nicht mehr kommentiert zu werden.

Wenn "heute" sich auf den Ausdruck „Wahrlich ich sage Dir“ (AMHN LEGW SOI) beziehen würde, müsste „heute“ (SHMERON) vorangestellt sein (es wurden dazu einige Beispiele gegeben) - in Luk 23,44 steht SHMERON aber nach diesem festen Ausdruck.

 

Die Interpunktion, der alle bekannten Übersetzungen gefolgt sind, ist somit richtig und sinnvoll. Daher ist abschließend an folgender Interpunktion festzuhalten: "Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein!", d.h. SHMERON modifiziert „Du wirst sein“ (ESH). Dem Schächer wird also kurz vor dessen Tod versprochen, noch am selben Tag (SHMERON) mit Christus im Paradies zu sein. Diese Interpunktion wird auch vom Kontext von Luk 23,44 getragen.

 

Abschließend bleibt mit H.J. Ronsdorf festzuhalten: „Der Heiland starb an diesem Tag und übergab Seinen Geist in die Hände des Vaters. Der Verbrecher starb kurz nach Ihm. Als der Herr starb, ging Er in das Paradies, und der Verbrecher folgte ihm dorthin als begnadigter Sünder.“ (Und die Toten leben doch, CLV-Bielefeld, 2004, S. 65)

 

 

Und die Toten leben doch? Den Kommentar hierzu kann ich mir nun doch nicht verkneifen:

Ach, gäbe es doch nur nicht so viele Kleingeistige, welche im Internet mit ihrer unbiblischen Auffassung unschuldige Menschen in die Irre zu führen versuchten.

 

LB, Prediger 9:5-10

5Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen nichts; sie haben auch keinen Lohn mehr, denn ihr Andenken ist vergessen. 6Ihr Lieben und ihr Hassen und ihr Eifern ist längst dahin; sie haben kein Teil mehr auf der Welt an allem, was unter der Sonne geschieht. / ... / 10Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu; denn bei den Toten, zu denen du fährst, gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit.

 

Da die Toten gemäss Prediger 9:5-10 ganz und gar ohne Bewusstsein sind (im Gegensatz zu der heidnischen Vorstellung von einer unsterblichen Seele), werden all die Jahre seines Todes für den Dieb wie ein einziger Wimpernschlag vorübergehen. Am Tage seiner Auferstehung im Paradies wird es für ihn so sein, als wäre seit dem Versprechen Jesu Christi kein einziger Tag vergangen.

Das heisst also: Selbst wenn Jesus diese Worte wirklich so gesprochen hätte, wie sie von den meisten Übersetzern interpretiert werden, könnte daraus nicht folgen, dass er oder der Dieb buchstäblich noch am selben Tag im Paradies waren; diese Schlussfolgerung würde der Bibel auch an zahlreichen weiteren Stellen widersprechen.

 

Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass Jesus starb und erst nach drei Tagen von Jahwe auferweckt wurde. Danach verweilte er noch eine Zeit lang bei seinen Jüngern, bis er schliesslich vor ihren Augen in den Himmel auffuhr und in einer Wolke verschwand.

Der Dieb dagegen ist heute immer noch tot, seine Auferstehung steht noch bevor. Da er weder mit Wasser noch mit Geist getauft wurde, kann er nicht zur kleinen Herde gehört haben, deren bereits verstorbene Angehörige heute schon mit Jesus im Himmel regieren. (Siehe dazu: Wer ist wer, wer wird wiedergeboren? / Wer wird wiedergeboren?)